Paläontologische Sammlung
Die paläontologische Sammlung beinhaltet Material aus allen Erdzeitaltern ab dem Kambrium bis zum Quartär und umfasst ca. 10000 Objekte. Neben vielfältigen deutschen und internationalen Fundorten liegt der Schwerpunkt auf den zahlreichen Fossilvorkommen Ostthüringens. So existiert ein großer Bestand an Graptolithen aus den silurischen und oberdevonischen Schiefern Ostthüringens, vor allem vom berühmten Weinbergbruch bei Hohenleuben. Auch ostthüringische Devon-Fossilien sind von Fundpunkten wie Saalfeld, Schleiz, Quingenberg, Schmirchau und Kirschkau vertreten. Unter den zahlreichen Fossilien des Karbons befindet sich eine seltene Suite an Cephalopoden aus dem Zadelsdorfer Geoden-Horizont als auch eine eindrucksvolle Kollektion von Spurenfossilien aus dem Dachschiefer von Wurzbach.
Der bedeutendste Teil der paläontologischen Sammlung beinhaltet eine umfangreiche Kollektion an Fossilien aus den Sedimentgesteinen des Zechsteins (Oberperm). Die meisten der Stücke stammen aus dem Raum Gera, aber auch von unterschiedlichen Fundstellen der Orlasenke. Unter mehr als Pflanzenresten des Geraer Zechsteins befinden sich Prachtexemplare von Ullmannia frumentaria, Culmitzschia florinii, Quadrocladus sp., Pseudovoltzia liebeana, Sphenopteris dichotoma, Peltaspermum martinsii und Spenobaiera digitata. Unter den zahlloses verschiedenen Brachiopoden und Muscheln des Geraer Zechsteins befinden sich eine Reihe hervorragender Vertreter der seltenen „Cancrini-Fauna“ des Zechsteinkonglomerats (Grauliegendes). Auch erwähnenswert sind umfangreiche Bestände an Schnecken, Bryozoen und Fischresten. Nach wie vor wird auch dieser Teil der Sammlung erweitert. Auch die Sammlungsbestände pleistozäner Wirbeltiere beziehen sich auf regionale Fundorte wie Bad Köstritz, Gera-Leumnitz oder Gera-Töppeln.
Besonderen Stellenwert nehmen dabei die Knochen des 1904 in einer Felsspalte eines Dolomitsteinbruchs bei Pohlitz nördlich von Gera gefundenen Skeletts eines Wollnashorns (Coelodonta antiquitatis) ein. Es gilt als eines der vollständigsten Skelette dieser Tierart in Europa. In der Sammlung befindliche Knochenreste verschiedener Arten pleistozäner Wirbeltiere stammen aus der 1874 entdeckten „Lindenthaler Hyänenhöhle“ – einem Höhlenhyänenhorst – in Gera-Pforten. Innerhalb des mehrere hundert Stücke umfassenden Bestandes konnten 31 Wirbeltierarten nachgewiesen werden. Insgesamt beinhaltet die paläontologische Sammlung mehr als 400 Abbildungsoriginale, die in wissenschaftlichen Publikationen seit 1858 bis in die neueste Vergangenheit abgebildet wurden. Darunter befindet sich mehrfach Typenmaterial wie der Lectotyp und die Paralectotypen der seltenen Muschel Prospondylus liebeanus oder das Gegenstück zum Neotyp der Nadelbaumart Pseudovoltzia liebeana.
Eine Übersicht zu den vorhandenen Abbildungsoriginalen der paläontologischen Sammlung des Museums für Naturkunde Gera erhalten Sie hier:
Übersicht Abbildungsoriginale Paläontologische Sammlung Gera
Einen gesonderten Artikel zur einem besonderen historischen Fossilfund in der Sammlung des Museums für Naturkunde Gera können Sie hier einsehen:
Besonderer historischer Fossilfund für das Museum für Naturkunde Gera
„Geraer“ Hyänenknochen ermöglichen Blick in die Evolution
Gera ist in der Welt der Paläontologie durch eine ganze Reihe von bedeutenden Fossilfunden bekannt. Dazu zählt auch die im Spätherbst 1874 im heutigen Stadtteil Pforten im Kreuzungsbereich der Pfortener Straße und der Robert-Blum-Straße entdeckte „Lindenthaler Hyänenhöhle“ mit den darin enthaltenen zahllosen Knochen und Knochensplittern der Höhlenhyäne und vor allem ihrer Beutetiere. Im Jahr 2016 besuchten Wissenschaftler der Universität Kopenhagen und der Universität Potsdam im Rahmen eines Projekts das Museum für Naturkunde Gera um genetisches Material (DNA) aus den Felsenbeinen (Schädelknochen) zweier Höhlenhyänen aus der „Lindenthaler Hyänenhöhle“ zu gewinnen und zu sequenzieren. Ziel war es, die Genetik von Höhlenhyänen von verschiedenen Fundpunkten Europas mit der Genetik von heute lebenden Afrikanischen Tüpfelhyänen zu vergleichen, um so Rückschlüsse auf ihre Evolution ziehen zu können.
An den zwei genetisch untersuchten Knochen aus der Lindenthaler Hyänenhöhle wurden in diesem Zusammenhang mittels winziger Proben von jeweils 1,5 Gramm auch Altersdatierungen per Radiokarbonmethode (C-14) am Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie in Mannheim durchgeführt. Beide Untersuchungen verliefen erfolgreich mit klaren Ergebnissen. Die Qualität der Proben war so gut, dass die Forscher sogar das komplette mitochondriale Genom als auch das Kerngenom sequenzieren und rekonstruieren konnten. Beide Höhlenhyänen waren demnach eng miteinander verwandt. Sie waren näher mit einer beprobten Höhlenhyäne aus der Slowakei verwandt als mit den weiteren von deutschen Fundpunkten in der Studie untersuchten Höhlenhyänen. Außerdem haben die Untersuchungen gezeigt, dass sich die Vorfahren beider „Geraer“ Höhlenhyänen in der Vergangenheit mit der Afrikanischen Tüpfelhyäne gekreuzt haben müssen. Im Ergebnis der gesamten Studie wurde nun klar, dass sich die Wege der Tüpfel- und Höhlenhyäne sehr früh getrennt haben müssen. Sie unterschieden sich untereinander wohl deutlicher als bisher angenommen. Trotzdem wanderten immer wieder Hyänen aus Afrika wellenartig nach Asien und Europa und brachten ihre Gene in den Genpool der dortigen Höhlenhyänen ein.
„Die Proben aus dem Museum für Naturkunde Gera haben eine wichtige Rolle in unseren Analysen gespielt und waren entscheidend dafür, dass es uns möglich war, die Evolutionsgeschichte von Höhlen- und Tüpfelhyänen im Detail aufzuklären“, so Dr. Michael Hofreiter, Professor für Allgemeine Zoologie/Evolutionäre adaptive Genomik an der Universität Potsdam. Überraschend waren auch die Ergebnisse der Altersdatierungen. Bei der Probe Nr. 1 wurde ein Alter von 29.110 - 28.926 Jahren und bei der Probe Nr. 2 von 19.990 - 19.810 Jahren ermittelt. Letztere gehört damit zu den jüngsten bekannten Höhlenhyänen-Proben überhaupt! Die Ergebnisse wurden in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung in englischer Sprache in der open-access Zeitschrift Science Advances publiziert, wo sie frei zugänglich sind. Außerdem ist eine populärwissenschaftliche Zusammenfassung in deutscher Sprache der in der Publikation gewonnen Erkenntnisse in Spektrum der Wissenschaften erschienen.