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Tourismus, Freizeit & Kultur
Sonderausstellung

Giganten der letzten Eiszeit - Von Höhlenhyänen und Wollhaarnashörnern

28. September 2024 bis 31. August 2025

Lebendrekonstruktion eines Wollhaarnashorns (Coelodonta antiquitatis)

In einer über Jahre vorbereiteten Sonderausstellung widmet sich das Museum für Naturkunde Gera (Thüringen) vom 28. September 2024 bis zum 31. August 2025 gleich zwei bedeutenden naturkundlichen Jubiläen: 150 Jahre Entdeckung der Lindenthaler Hyänenhöhle und 120 Jahre Fund des Pohlitzer Wollhaarnashorns. Damit führt das Museum seine Besucherinnen und Besucher zurück in die sog. Weichsel-Kaltzeit (bzw. „Weichsel-Eiszeit“), der letzten Kaltzeit des Pleistozäns von vor 115.000 bis vor 11.600 Jahren. Im Vergleich zu vorherigen Kaltzeiten endete damals in Deutschland der maximale Eisvorstoß relativ weit im Norden. In den südlich davon gelegenen, zeitweise trocken-kalten Steppengebieten dominierte eine ganze Reihe von großen Säugetieren wie z. B. Höhlenhyänen und Wollhaarnashörner. Auch im ostthüringischen Gera und dessen Umgebung haben insbesondere jene zwei Tierarten besondere Fossilien hinterlassen, die in der Ausstellung vorgestellt werden.

Lindenthaler Hyänenhöhle
Im Spätherbst des Jahres 1874 stieß man bei umfangreichen Erdarbeiten im heutigen Geraer Stadtteil Pforten auf eine Spaltenhöhle, in der sich eine große Anzahl Knochen und Zähne verschiedener eiszeitlicher Tiere befanden. Durch die Nähe zur damaligen Gastwirtschaft „Lindenthal“ und die in der Höhle geborgenen Fossilien von Höhlenhyänen (Crocuta crocuta spelaea) wurde sie als „Lindenthaler Hyänenhöhle“ bezeichnet. Die Höhle wurde während der Weichsel-Kaltzeit über Jahrtausende regelmäßig von Höhlenhyänen als Unterschlupf genutzt, so z. B. zum ungestörten Zerlegen von Nahrung und wohl auch während der Jungenaufzucht. So sammelten sich in der Höhle jene großen Mengen von Knochen und Zähnen der Tiere an, die von den Hyänen als Nahrung herangeschleppt wurden. 
Höhlenhyänen waren im Vergleich zu heutigen Tüpfelhyänen (Crocuta crocuta) noch etwas größer und schwerer. Höhlenzeichnungen belegen, dass das Fell der Höhlenhyänen wie das der Tüpfelhyänen auffallend gefleckt war, jedoch im Unterschied dazu länger und dichter. Innerhalb Europas war die Höhlenhyäne nach Norden hin nur bis nach Mitteldeutschland und bis zu den Britischen Inseln verbreitet. Zum Ende des Pleistozäns vor ca. 12.000 Jahren starb sie jedoch aus.
Die Fossilien aus der Lindenthaler Hyänenhöhle wurden vor allem vom Geraer Lederfabrikanten Gustav Albin Korn (1826-1887) und vom Geraer Theologen und Botaniker Dr. Robert Schmidt (1826-1890) aufgesammelt. Die wichtigsten Beschreibungen der Lindenthaler Hyänenhöhle samt der Fossilfunde wurden 1875 bzw. 1878 von Karl Theodor Liebe (1828-1894) veröffentlicht. Um 1980 wurden die im Museum für Naturkunde Gera aufbewahrten Fossilien umfassend von Dr. Karlheinz Fischer (1932-2012) aus Berlin bestimmt. Im Ergebnis konnte er 31 verschiedene Wirbeltierarten feststellen.
Zum ersten Mal gewann 2002 ein international besetztes Team von Wissenschaftlern erfolgreich Erbgut (DNS) von Zähnen der Höhlenhyäne aus der Lindenthaler Hyänenhöhle. 2016 spielten wieder Knochen und Zähne der Höhlenhyäne aus der Lindenthaler Hyänenhöhle in einem großen wissenschaftlichen Projekt eine Rolle. Es wurde erneut erfolgreich Erbgut (DNS) gewonnen. Darüber hinaus wurde das Alter von zwei Schädelknochen der Höhlenhyäne untersucht. Bei einer Probe wurde ein Alter von 28.926 bis 29.110 Jahren (vor 2017) festgestellt und bei einer weiteren Probe von 19.810 bis 19.990 Jahren (vor 2017) ermittelt.

Die Sonderausstellung präsentiert zahlreiche originale Fossilien verschiedener eiszeitlicher Tierarten aus der Lindenthaler Hyänenhöhle, insbesondere Fossilien der Höhlenhyäne. Sie bietet umfangreiche Informationen zu den Umständen der Entdeckung der Höhle, zur Bergung der Fossilien, zur Lebensweise der Höhlenhyäne und vor allem auch zu zahlreichen neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen, die den Fossilien durch moderne Methoden in den vergangenen Jahren entlockt wurden.

Das Pohlitzer Wollhaarnashorn
Im Februar 1904 wurde im Norden von Pohlitz (Bad Köstritz / Thüringen) in einem neu angelegten Kalksteinbruch des Chemnitzer Unternehmers Friedrich Wilhelm Anacker (1845-1924) ein relativ vollständiges Skelett eines Wollhaarnashorns (Coelodonta antiquitatis) gefunden. Die Freilegung der Knochen aus dem Lehm und Kalkschotter der etwa 3 m tiefen und durchschnittlich 2 m breiten Felsspalte beaufsichtigte der Geraer Gymnasialprofessor Dr. Karl Gustav Löscher (1861-1937), der die Skelettteile anschließend in die „Geologische Landessammlung“ in Gera überführte. Die Bergung des Skeletts weckte das Interesse der 1873 in Berlin gegründeten Königlichen-Preußischen Geologischen Landesanstalt. Im Ergebnis wurden in Berlin bis 1908 jeweils zwei Gipsabgüsse aller Originalknochen angefertigt. In Gera wurde ein Satz der Abgüsse 1908 montiert und als Skelett aufgestellt. Die Originalknochen verblieben einzeln in Gera und wurden nicht montiert. Seit ca. 1947 befinden sich die Knochen im heutigen Museum für Naturkunde Gera.
Das Skelett des Pohlitzer Wollhaarnashorns ist ein sog. artikuliertes Skelett. Das heißt, es gehört zu einem Individuum und wurde nicht aus den einzelnen Knochen unterschiedlicher Tiere zusammengesetzt. Nur drei artikulierte Skelette dieser Tierart wurden bisher in Deutschland gefunden; bereits vor 1893 in Mühldorf am Inn bzw. Kraiburg am Inn (Oberbayern), 1904 in Pohlitz (Bad Köstritz / Thüringen) und 1980 bei Petershagen (Nordrhein-Westfalen). Das Mühldorfer bzw. Kraiburger Wollhaarnashorn-Skelett wurde im Verlauf des Zweiten Weltkriegs zerstört. Somit ist das Pohlitzer Wollhaarnashorn-Skelett eines von nur zwei noch existierenden artikulierten Skeletten dieser Tierart, die in Deutschland geborgen wurden. Es ist vollständiger als das Petershagener Exemplar und damit das vollständigste artikulierte Wollhaarnashorn-Skelett Deutschlands. 
2021 gelang es im Rahmen eines wissenschaftlichen Projekts der Universität Köln, die Altersbestimmung mittels der Radiokarbonmethode (C14-Datierung) an einer nur 1,1368 Gramm schweren Probe vom Schädel durchführen zu lassen. Das ausführende Labor ermittelte für das Pohlitzer Wollhaarnashorn-Skelett ein Alter von 35.367 bis 36.271 Jahren (vor 2021)!

Die Ausstellung präsentiert eine Fülle an Informationen zu den Fundumständen, zur exakten Fundstelle, zur Geschichte des Skeletts und der Skelettrekonstruktionen, sowie zur allgemeinen Lebensweise von Wollhaarnashörnern. Neben einer Auswahl von Originalknochen erwartet die Besucher und Besucherinnen eine atemberaubende Lebendrekonstruktion eines Wollhaarnashorns in Originalgröße, die in einer Spezialwerkstatt in Rotterdam (Niederlande) eigens für die Ausstellung angefertigt wurde!

Begleitprogramm
Im Rahmen der Ausstellung bietet das Museum für Naturkunde Gera ein umfangreiches Begleitprogramm an. Angeboten werden Ferienveranstaltungen während der Thüringer Herbstferien 2024, Winterferien 2025, Osterferien 2025 und Sommerferien 2025. Darüber hinaus finden regelmäßig öffentliche Führungen in der Ausstellung statt. Zusätzlich lädt das Museum zu mehreren Expertenvorträgen von renommierten Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen ein. Sämtliche Termine sind auf der Museumshomepage www.gera.de/naturkundemuseum einzusehen.

Finanzierung
Für die Finanzierung des Ankaufs der grandiosen Lebendrekonstruktion eines Wollhaarnashorns, für die Finanzierung der Sonderausstellung, für die Finanzierung der konservatorischen Behandlung des Schädels vom Pohlitzer Wollhaarnashorn und für die Finanzierung der konservatorischen Behandlung von Mammutbackenzähnen aus der Lindenthaler Hyänenhöhle dankt das Museum für Naturkunde Gera folgenden Institutionen, Unternehmen und Personen:
Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz,
Thüringer Staatskanzlei,
Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft, Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen,
Sparkasse Gera-Greiz,
Chemiewerk Bad Köstritz GmbH,
BIT Tiefbauplanung GmbH,
SRH Wald-Klinikum Gera,
Waldkliniken Eisenberg,
Geraer Mineralien- und Fossilienfreunde e. V.,
Zahnarztpraxis Sebastian Schopplich (Gera),
Zahnarztpraxis Dr. Anke Geupel und Dr. Hendrik Geupel (Gera),
Siegfried Kern (Landsberg),
Dr. Bengt Fuchs (Gera),
Lars Cunäus (Naumburg)
und Dr. Silvio Brandt (Chemnitz).

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