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Verwaltung & Bürgerservice
Dates 2023

Wie "1.000 Baustellen auf einmal"

Geras Gleichstellungbeauftragte traf: Bettina Krause aus der Diako-Beratungsstelle Gera zu den Themen häusliche Gewalt, Schwangerschaft, Schwangerschaftskonflikt und Familiensorgen

„Lebenslagen von Frauen wie ‚1.000 Baustellen auf einmal‘ “

Die Gleichstellungsbeauftragte (GB) der Stadt Gera, Catrin Heinrich, besucht in diesem Jahr Mitglieder des Geraer Netzwerkes gegen Häusliche Gewalt. Sie möchte damit auf die zahlreichen Beratungs- und Hilfeangebote aufmerksam machen, damit Hilfesuchende wissen: Ich kann mich an viele Beratungsstellen anonym, kostenlos wenden.

Catrin Heinrich ist seit rund einem Jahr selbst Mitglied in dem Geraer Netzwerk, in dem über 20 Einrichtungen kooperieren, um Hilfen und Beratungsangebote je nach Anliegen von Betroffenen an Stellen auch zu vermitteln, die am besten helfen können. „In jedem einzelnen Fall, in dem wir helfen können, kommen wir der Gewaltfreiheit näher“, so die Gleichstellungsbeauftragte. Sie veröffentlicht zu den Treffen mit den Netzwerkmitgliedern auch Infos unter www.gera.de/gleichstellung und sie ist Ansprechpartnerin bei Anliegen rund um Gleichstellung in Gera sowie zu Gewaltschutz und –prävention bei häuslicher Gewalt unter 0365 838-1050 und gleichstelllungsbeaufragte@gera.de.

Die GB traf das Mitglied im Geraer Netzwerk gegen häusliche Gewalt:
Bettina Krause in der Familienberatungsstelle Gera in Trägerschaft der Diako Thüringen, gem. GmbH / Zabelstraße 2 / 07545 Gera, Tel. 0365 / 7736321, Termine nach Vereinbarung
 

Beratungsschwerpunkte

  • Soziale Beratung für Eltern mit Kindern - Was ist zu tun insbesondere bei existenziellen Sorgen z. B. nach Jobverlust oder Trennung wegen häuslicher Gewalt, Beratung zu Finanzen und Lebensorganisation?
  • Schwangerschaft - Wie funktioniert Elternzeit, Mutterschutz, Elterngeld, finanzielle Hilfe zur Baby- Erstausstattung, finanzielle Hilfen während des Elterngeldbezuges, z.B. Wohn- und Bürgergeld? In der Schwangerschaftsberatung 2022 waren rund 400 Frauen (teilweise mit weiteren Familienangehörigen), davon ca. 200 Schwangere und 60 Frauen zum Schwangerschaftskonflikt.
  • Vaterschaftsanerkennung – Was ist zu tun, wenn werdende Eltern unverheiratet sind und der Vater rechtlich anerkannt sein soll, wie wirkt sich das auf Erbe, Unterhalt, Umgang aus?
  • Schwangerschaftskonflikt und -abbruch - Was ist zu bedenken, wer hilft?
  • Vertrauliche Geburt – Geht es, anonym im Klinikum ein Baby zur Welt zu bringen und es in die Fürsorge anderer zu übergeben?
In der Beratungsstelle der Diako Gera: Bettina Krause (r.) und Gleichstellungsbeauftragte Catrin Heinrich im Gespräch.
In der Beratungsstelle der Diako Gera: Bettina Krause (r.) und Gleichstellungsbeauftragte Catrin Heinrich im Gespräch.

10 Antworten von Bettina Krause

1. Was ist bei Konflikten oft zuerst zu klären?
Geldsorgen. Denn wer vor lauter finanzieller Sorgen nicht schlafen kann, hat den Kopf nicht frei, Verhaltensweisen zu verändern.

2. Zu welchen häufigsten Anliegen beraten Sie?
Wie es vor allem auch finanziell weitergeht, wenn sich Frauen – meist mit Kindern - trennen möchten oder sich getrennt haben oder in Scheidung leben. Oft sind Frauen von ihren Partnern finanziell abhängig, können sich nicht das Nötigste selbst beschaffen.

3. Sprechen die Frauen mit Ihnen offen über Gewalterfahrungen?
Die Dunkelziffer ist hoch. Diejenigen, die mit mir sprechen, kommen oft aus dem Frauenhaus und haben den Ausstieg aus ihrer Beziehung schon geplant. Und es kommen Frauen, die sich trennen wollen, weil sie körperliche Gewalt, Erniedrigung, Beschimpfung, Mobbing nicht mehr aushalten und Kinder schützen wollen. Ich bin eher für die Finanzen und die Organisation des Lebens erste Ansprechpartnerin, ich vermittle bei Bedarf an unsere psychologische Beratung hier im Haus und rate: Halten Sie Gewalt nicht aus, sie ist verboten und eine Straftat und es lässt sich etwas dagegen tun.

4. Sie sind anerkannte Beratungsstelle bei Schwangerschaft und Schwangerschaftskonflikten. Ihr Tipp, sobald eine Schwangerschaft feststeht?
Hebamme suchen. Wie in vielen Berufsgruppen gibt es bei Hebammen großen Mangel.

5. Beim Schwangerschaftskonflikt stehen Frauen und Familien vor der schweren Entscheidung: Abbruch der Schwangerschaft oder nicht. Was lässt am häufigsten den Konflikt aufkommen?
Zukunftsangst, Angst vor Überforderung, insbesondere bei Alleinerziehenden und besonders auch, wenn die Familienplanung nach 2 oder 3 Kindern schon abgeschlossen war und Frauen sich auch im Beruf wieder stärker engagieren wollen. Auch gesundheitliche Probleme, Schwangerschaft nach Verhütungsmüdigkeit spielen eine Rolle oder medizinische Behandlungen, wie bedenkliche Medikamenteneinnahme oder Drogen in der Zeit, als die Schwangerschaft schon bestand, aber noch nicht bekannt war.

6. Abtreibungsgegner und –befürworter liegen weltweit im Meinungsstreit. In Deutschland ist seit Abschaffung des § 219a gestattet, dass Ärztinnen und Ärzte öffentlich zu Abbruchmethoden informieren. Nach wie vor Pflicht sind Beratungen vor einem Abbruch. Halten Sie Pflichtberatungen weiterhin für wichtig?
Fast jede Frau sagt uns am Ende des Gespräches, dass ihr dieses Gespräch sehr nützte, um ihre eigene Entscheidung sicher treffen zu können. Deshalb halte ich das Gesprächsangebot für sehr wichtig. Für eher nicht mehr zeitgemäß halte ich § 218 Strafgesetzbuch, wonach Abbruch eine Straftat ist. Für mich wäre mehr Toleranz wichtig für die verschiedenen Entscheidungen, die Frauen treffen aufgrund ihrer eigenen Lebenswirklichkeit.

7. Raten Sie eher zu, ein Kind zu bekommen?
Wir beraten ergebnisoffen und unterstützen die Frauen in ihrer Entscheidungsfindung. Dabei rate ich auch: Hören Sie auf Ihr Herz und nutzen Sie die Beratung als Chance, um sich sicher zu sein, wirklich alles gut abgewogen zu haben.

8. Vielen Frauen macht der Gedanke an eine Beratung Angst, weshalb?
Dass auf sie Druck ausgeübt werden könnte, das Kind zu behalten. Und allein schon das Sprechen über eine ungewollte Schwangerschaft ist für viele unangenehm. Frauen sehen sich oft als verhütungs-hauptverantwortlich und wollen sich bei ungewollter Schwangerschaft die Vorwürfe sparen, dass sie das doch hätten verhindern müssen.

9. Seit 23 Jahren beraten Sie Frauen und Familien. Was ist heute anders als damals?
Leben ist viel komplexer geworden. Die Problemlagen von Frauen fühlen sich oft an wie „1.000 Baustellen auf einmal“. Viele fragen sich verunsichert: Wie sieht wohl die Zukunft aus? Männer tragen oft die Last des Hauptverdieners. Sie stehen unter dem Druck, dass die Familie ohne sie nicht über die Runden kommt. Viele nutzen auch deshalb nicht die Partnermonate im Rahmen der Elternzeit.
 

10. Können auch Männer und diverse Personen zu Ihnen in die Beratung kommen?
Selbstverständlich. Wir unterstützen bei Anträgen, durch Gespräche und vermitteln an andere Profis, um je nach Problemlage passende Beratung zu finden. Auch bei uns im Haus hilft die Erziehungs- /Familienberatung, wenn Eltern Fragen zur Erziehung und Entwicklung ihres Kindes haben, die Beziehungsgestaltung in der Familie oder in der Partnerschaft sehr belastet ist. Auch Jugendliche können sich mit allen Fragen zu ihrer Lebenssituation an uns wenden.

Mehr Informationen zu Hilfe und Beratung bei häuslicher Gewalt und weiteren Themen rund um Familie, Erziehung, Schwangerschaft und -skonkflikt:
www.handle-jetzt.de
www.diako-thueringen.de