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2023

Mai 2023: Die erste Gartenstadt Thüringens – „Heinrichsgrün“

Modell Geraer Gartenstadt ‚Heinrichsgrün‘ im Maßstab 1:250, Modell: Architekturmodelle Bönsch 2008. © Ulrich Fischer
Modell Geraer Gartenstadt ‚Heinrichsgrün‘ im Maßstab 1:250, Modell: Architekturmodelle Bönsch 2008

Objekt des Monats aus dem Stadtmuseum

Heinrichsgrün – eine idyllisch am Stadtwald angrenzende Siedlung im Stadtteil Debschwitz – wurde als erste Gartenstadt Thüringens errichtet und sollte vor allem die Wohn- und Lebensverhältnisse von Arbeitern und ihren Familien verbessern. Die Initiative hierfür ging von Dr. Clemens Weisker, der sich 1888 als Arzt in Gera niederließ, aus. Dieser sah sich täglich mit den Folgen, die Industrialisierung und Urbanisierung auf das Leben der Menschen hatten, konfrontiert. Unterernährung, Fehlbildungen, Haltungsschäden und Erkrankungen der Atemwege, wie bspw. Tuberkulose, waren nur einige der Probleme, mit denen die Patienten von Dr. Weisker zu kämpfen hatten. Durch die Industrialisierung kam es auch in Gera zur raschen Entwicklung der Einwohnerzahlen. Dringend benötigter Wohnraum entstand u.a. in der Ostvorstadt, Zwötzen und Debschwitz. Doch die Wohnverhältnisse in den sehr engen und schmalen Häusern waren alles andere als gesundheitsfördernd. Dadurch reifte auch in Gera die Idee, eine Gartenstadt zu errichten. Ursprünglich stammt diese aber von dem Engländer Ebenezer Howard. Er entwarf 1898 ein Modell für die Stadtentwicklung unter dem Motto „Jedem sein Haus, Licht, Luft und Land“, um den schlechten Wohn- und Lebensverhältnissen entgegenzuwirken.

Um sein Vorhabend umzusetzen, gründete Dr. Clemens Weisker am 11. Juli 1911 den ‚Gemeinnützigen Bauverein für Reuß j.L. AG‘, wobei die notarielle Gründung erst am 22.12.1911 stattfand. Neben Weisker waren auch Justizrat Dr. Alfred Schlotter, Weberei-Fabrikant Werner Bruhm und Oberlehrer Dr. August Uhl Gründer des Vereins. Dieser verstand, dass sich die schlechten Lebensverhältnisse der Arbeiter negativ auf ihre Leistungskraft auswirkten und dadurch auch die Gewinne der Unternehmer geschmälert wurden. Die Ziele des Vereins wurden in der Geraer Zeitung vom 13. Juli 1911 wie folgt beschrieben:

„Es soll vor allem denen, die die Zahlreichsten und zugleich Schwächsten und Hilflosesten sind, gegen eine geringe Anzahlung die Möglichkeit verschafft werden

1) in einem eigenen Häuschen, im eigenen Garten, gesund zu wohnen;

2) für eine Aufwendung die nicht größer sein darf, als die ortsübliche Miete;

3) bei voller Freizügigkeit;

4) nur unter der Beschränkung, daß bei Wegzug und Verkauf das Häuschen seinem Zwecke wie bisher weiter dienen muß,“

Blick auf Heinrichsgrün, Postkarte 1930. © Stadtmuseum Gera
Blick auf Heinrichsgrün, Postkarte 1930

Dr. Clemens Weisker versuchte besonders die Geraer Fabrikanten für seine Ideen zu gewinnen, vor allem um an Kapital für sein Bauvorhaben zu kommen, aber auch um kostengünstig Bauland zu erwerben. Gerade um eventuelle Kritiker von den Vorhaben des Bauvereins zu überzeugen, zeigte dieser im Oktober 1911 seine Ziele und Ideen in einer Ausstellung im Rutheneum auf. Begonnen wurde mit dem Bau der Siedlung schließlich am 1. April 1912. Dieser kam aber mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges 1914 zunächst ins Stocken und später ganz zum Erliegen. Erst 1919 wurde das Projekt wieder aufgenommen. In diesem Jahr wurde der Name ‚Heinrichsgrün‘ das erste Mal verwendet und zwar in einer Sitzung am 24.06.1919. Wie genau es zur Namensgebung kam, lässt sich leider nicht mehr ermitteln. Namensgeber ist aber sicher einer der reußischen Fürsten. Bis 1930 entstanden so 186 Eigenheime mit 250 bis 650m² großen Gärten, die zur Selbstversorgung genutzt werden sollten. Die Häuser wurden als Einzel-, Gruppen- oder Reihenhäuser mit schmalen Wohnstraßen erbaut, die sich abseits der Hauptverkehrsstraßen befinden, aber dennoch in unmittelbarer Nähe zu den einstigen Fabrikanlagen.

Auch andere Baustellen in der Stadt wurden vom Bauverein in Angriff genommen, so bspw. in Tinz am Maienplatz. Den Bauverein gab es bis zum 03. Juni 1950, als er sich schließlich auflöste.