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2023

Januar 2023: Die verschwundene Perlmuschel aus der Weißen Elster

Perlmuschel. © Stadt Gera / Museum für Naturkunde (Fotograf: Frank Hrouda)
Margaritifera margaritifera (Flussperlmuschel), Innenseite einer Schale samt Perle

Das Objekt des Monats im Museum für Naturkunde Gera ist ein Exemplar der Flussperlmuschel, stellvertretend für eine Tierart, welche die Weiße Elster einst populär und berühmt machte.

Flussperlmuscheln haben eine aus zwei kalkigen Klappen bestehende Schale, die den Weichkörper schützt. Ihre Schale ist im Vergleich zu anderen einheimischen Muschelarten sehr dick. Die Größe und das maximale Alter variieren erheblich je nach Vorkommen. Flussperlmuscheln in Deutschland erreichen nicht selten eine Größe von 14 cm Länge und 7 cm Breite. Das maximale Alter bei Exemplaren in Nordeuropa beträgt ca. 280 Jahre! Sie bevorzugen immer kalkarme, intakte Fließgewässer-Ökosysteme und besiedeln dabei die Oberläufe und oberen Mittelläufe. Aus dem fließenden Wasser filtern die Tiere kleine Nahrungspartikel.

Schon im Mittelalter zogen Venezianer durch Mitteldeutschland, um ihre Waren z. B. gegen Erze zu tauschen. Ihnen blieben die Perlen nicht verborgen. 1621 erhob Kurfürst Johann Georg I. das Fischen der „Schatzmuschel“ zum sogenannten „Regal“ – einem landesherrlichen Hoheitsrecht, also einem Privileg der sächsischen Krone, zu dessen Durchführung man Perlfischer beschäftigte. 1681 wurde entschieden, die Perlfischerei auf alle Bäche des sächsischen Elstergebietes bis an die reußische Landesgrenze auszudehnen. Erhebliche Konflikte zwischen den Perlfischern, die Holzflößerei, Hochwasser und Eisgänge brachten die sächsische Perlfischerei mehrfach bis an den Rand ihrer Existenz. Die königlich-sächsische Krone hat das Perlregal nie aufgegeben, obwohl 1909 die Ausbeute an hochwertigen Perlen aus dem sächsischen Vogtland nur noch 8 Stück betrug. Erst 1927 endete die Perlfischerei letztendlich.

Auch in der Weißen Elster wurden die Perlen der Flussperlmuschel gefischt, denn die Weiße Elster war zumindest im Bereich ihres Oberlaufs ein wahrer „Perlfluss“. Das Vorkommen der Flussperlmuschel in der Weißen Elster reichte bis in den Wünschendorfer Raum hinein. Immer wieder ist zu hören und zu lesen, dass die Reußen auf reußischem Boden in der Weißen Elster Perlfischerei betrieben hätten. Das ist falsch, die Perlfischerei wurde nur auf sächsischem Terrain weiter südlich betrieben. 1910 dokumentierte Vorkommen der Flussperlmuschel auf reußischem Gebiet waren auch schon damals nur noch Restbestände. In den nachfolgenden Jahrzehnten sind auch die letzten Flussperlmuscheln in der Weißen Elster verschwunden. 1937 wird nur noch vom Auffinden einiger leerer Schalen berichtet. In ganz Thüringen gilt die die Flussperlmuschel aktuell als vollkommen verschollen.

Diese Entwicklung verlief auch an anderen Orten ähnlich, denn aktuell existieren nur noch 2 bis 3% der ehemals in Mitteleuropa vorkommenden Flussperlmuscheln. Gründe für das Verschwinden in der Weißen Elster und den meisten anderen Flüssen und Bächen sind die Verschmutzung der Gewässer durch die Industrialisierung, Überdüngung, Versandung, Abwassereinleitung und Streusalz. Auch das Fehlen des Lachses und die Verdrängung der Bachforelle, welche die Flussperlmuschel aufgrund ihrer komplexen Entwicklung zwingend zur Vermehrung benötigt, haben ihren Anteil am massiven Rückgang dieser Art.

Einige echte Flussperlmuschel-Schalen, Perlen und daraus gefertigte Schmuckgegenstände kann man derzeit im Museum für Naturkunde Gera in der Sonderausstellung „Gezähmte Eilende – Die Weiße Elster und ihr Tal zwischen Greiz und Bad Köstritz“ betrachten.