Februar 2023: Der Achat und der Venus-Durchgang
Das Objekt des Monats im Museum für Naturkunde ist ein weiß-cremefarbener 8 x 6 x 3 cm großer Achat, der während einer abenteuerlichen Expedition auf einer entlegenen Inselgruppe mitgenommen wurde. Im Winter 1874/1875 wurde der Achat auf dem Kerguelen-Archipel gefunden. Die Kerguelen sind bis auf eine Forschungsstation eine unbewohnte subantarktische Inselgruppe im südlichen Indischen Ozean und heute Teil der Französischen Süd- und Arktisgebiete. James Cook (1728-1779) nannte die Inselgruppe einst „Insel der Trostlosigkeit“. Mineralien von diesem weit entfernten Ziel sind besondere Raritäten und nur in wenigen Sammlungen vorhanden.
Der Achat befindet sich seit 1916 im Eigentum der Stadt Gera, denn damals erhielt sie die gesamte kostbare Mineraliensammlung des Geraer Stadtapothekers Dr. Curt Schröder (1836-1916) als Stiftung, die auch diesen ungewöhnlichen Achat enthielt.
Aus Schröders Notizen geht hervor, dass er das Mineral vom Geraer Arzt Dr. Ferdinand Christian Naumann (1841-1902) erhalten bzw. erworben hatte. Naumann ließ sich erst 1877 im Alter von 36 Jahren in Gera als praktischer Arzt nieder. In der Zeit bis 1896, als Schröder Gera verließ und nach Dresden zog, müssen sich beide kennengelernt haben und der Achat den Eigentümer gewechselt haben.
Bevor es Naumann nach Gera verschlug, hatte ihm sein Leben bereits das unschätzbare Glück grandioser Erlebnisse und Abenteuer vergönnt. Er studierte ab 1860 in Berlin erst Naturwissenschaften, dann Medizin. 1867 führte ihn sein Lebensweg zur Marine und es folgten eine einjährige Reise auf einem Schulschiff und von 1868 bis 1871 eine Weltreise auf der „Medusa“ über Madeira nach Brasilien, Feuerland, Japan, China, Thailand, Indien bis zum Kap der Guten Hoffnung, jeder Aufenthalt verbunden mit umfangreichen botanischen Studien. Nachdem er zwischenzeitlich Stabsarzt wurde und am Charité-Krankenhaus in Berlin tätig wurde, führte es ihn ab 1874 wieder auf die Weltmeere. Als Schiffsarzt und Botaniker begleitete er auf der Korvette „Gazelle“ unter Kapitän Georg Freiherr von Schleinitz (1834-1910) die erste naturkundliche Expedition der erst 1871 gegründeten Kaiserlichen Marine. Die Expedition hatte den Auftrag, auf den entlegenen Kerguelen den Venus-Durchgang vom 9. Dezember 1874 zu beobachten um damit den Abstand zwischen Erde und Sonne genauer bestimmen zu können. Bei diesem astronomischen Ereignis handelt es sich um das von der Erde aus sichtbare Vorbeiziehen des Planeten Venus direkt vor der Sonne, was innerhalb von 120 Jahren nur etwa dreimal sichtbar ist. Da das Ereignis 1874 von Europa aus nur schlecht sichtbar war, wurde die aufwändige Exkursion nötig, die Ende Juni 1874 mit dem Auslaufen in Kiel startete. Der Aufenthalt auf den Kerguelen begann am 26. Oktober und sollte etwa drei Monate dauern. Diese Zeit nutzte Naumann für umfangreiche naturkundliche Studien und Aufsammlungen auf den rauen und schroffen Inseln. Offenbar wurde so von ihm auch jener Achat gesammelt, der nach Ende des Aufenthalts die lange Heimreise über Australien, Timor, Neuguinea, das Bismarck Archipel, Neuseeland, die Samoainseln, Uruguay und die Azoren antrat. Erst Ende April 1876 gelangte das Mineral in Naumanns Gepäck nach Deutschland.
Mittlerweile neu poliert, erfreut der ansehnliche Achat die Besucherinnen und Besucher des Mineralienhöhlers im Museum für Naturkunde. Sollten Sie ihn dort betrachten, dann denken Sie daran, dass bald 150 Jahre vergangen sein werden, nachdem er von der Hand Naumanns auf einer weit entlegenen Insel ergriffen und nach Gera mitgebracht wurde.