August 2023: Ein blauer Schatz aus der Vogelwelt
Federn in mattem Schwarz, leuchtendem Gelb, metallischer Glanz in Rot, Grün und Blau – ein beeindruckendes Ensemble. Die gefiederten Kostbarkeiten aus der Verwandtschaft der Paradiesvögel stammen aus Neuguinea und sind das Objekt des Monats August 2023. In den letzten Wochen wurden ihre Präparate im Museum für Naturkunde Gera einer Revision unterzogen und mit Hilfe der historischen Erstbeschreibungen und aktueller Fachliteratur erneut bestimmt. Da mehrere Vertreter der vorliegenden Exponate vom Aussterben bedroht sind, ist auch die Unterbringung ihrer Präparate als unwiederbringliche Belege umso schützenswerter.
Besonders rare Sammlungsstücke sind der Nacktkopf-Paradiesvogel (Cicinnurus respublica), der Rote Paradiesvogel (Parasidaea rubra) und der Langschwanz-Paradigalla (Paradigalla carunculata). Über die Fortpflanzungsbiologie des Letzteren ist bisher so gut wie nichts bekannt. Auch der Blaue Paradiesvogel (Paradisornis rudolphi) wird als gefährdet eingestuft. Die Art wurde erst 1885 beschrieben und mit wissenschaftlichem Namen versehen. Unser Präparat stammt aus dem Zeitraum zwischen 1897 und März 1900. In jenem Monat endete die Weltreise des professionellen Tiersammlers Emil Weiske (1867 - 1950) vorläufig auf Neuguinea, als er sich beim Dynamitfischen schwer an der Hand verletzte und nach Deutschland zurückkehrte. Er verstarb in Saalfeld, in dessen Stadtmuseum seine große Sammlung bis heute bewundert werden kann.
Die von ihm gesammelten Paradiesvögel gelangten als Häute in die naturkundlichen Museen in Berlin, London, München und Leipzig – und über einen kleinen Umweg auch nach Gera. Der Präparator, welcher für Weiske aufgrund seiner hohen Qualität Vogelpräparate anfertigen durfte, war der Geraer Karl Hermann Oertel, genannt Carl Feustel (1861 - 1940). Weiske beschrieb ihm anhand eigener Beobachtungen genau die Balzhaltung verschiedener Paradiesvögel. Auf diese Weise entstanden stimmige, sehr gute Exponate.
Nur beim Aufstellen des Blauen Paradiesvogels beging Carl Feustel einen Fehler – vielleicht fehlte ihm wegen der Seltenheit dieser Vogelart die Beschreibung der Balzhaltung. Vor über 120 Jahren war an einen unterstützenden Fotobeweis nicht zu denken. Feustel präparierte das Tier in der gleichen Körperhaltung wie die anderen Vertreter der Gattung Paradisaea: den Kopf nach vorn, die Flügel etwas geöffnet, und die Schwanz- und Schmuckfedern in die Höhe gereckt. Die ungewöhnlich bunte Bauchzeichnung des Gefieders muss ihn gewundert haben: Einen schwarzen Federfleck umgeben rote und diese wiederum leuchtend blauen Federn. An seinem Präparat ist davon nicht viel zu sehen. Wie sollte er auch ahnen, dass ein männlicher Vogel, nachdem er ein Weibchen durch Rufe angelockt hat, sich auf einem Zweig sitzend nach hinten fallen lässt, sodann kopfunter hängt und sein prachtvolles Bauchgefieder spreizt und erbeben lässt. Dabei schaut das Männchen mit seinen leuchtend weiß umrahmten Augen zur Seite oder zum Weibchen, welches im besten Fall direkt über ihm zum Sitzen kommt. Daraufhin schwingt er sich wieder nach oben und es kommt zur Begattung.
Das flasch präparierte Exemplar des Blauen Paradiesvogels in der Geraer Sammlung ist damit auch ein kulturelles Zeugnis eines notwendigerweise unvollständigen Naturverständnisses und bleibt hoffentlich auch in Zukunft als historisches Dokument in genau dieser Form bestehen. Vermutlich erbat sich Carl Feustel die eine oder andere Vogelhaut von Emil Weiske und präparierte sie für sich selbst – eine eigene, kleine Weltreise für ihn, der keine großen Reisen unternahm. Zeugen berichteten von 72 dieser für die damalige Bevölkerung unglaublichen Vögel in Feustels Wohnzimmer. Nach seinem Tod 1940 gingen diese Präparate als Schenkung an das Städtische Museum in Gera. Nach dem Brand des Gebäudes durch einen Bombenabwurf im Jahr 1945 wurden glücklicherweise viele Objekte gerettet, so dass heute noch 41 Paradiesvogelpräparate in zwei Schränken sicher vor Staub und Licht geschützt bei Dachbodenführungen und Sonderausstellungen besichtigt werden können.